Placche die Freggio (30. Oktober 2016)

Die Tour war sehr spontan geplant und zu kurzfristig ausgeschrieben, als dass sich noch jemand gemeldet hätte. Damals, vor der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels war es möglich ab Zürich via Faido das Örtchen Osco auf der Sonnenterasse der Leventina bereits um 9:00 Uhr morgens zu erreichen. dsc00789Ein 20 minütiger Spaziergang führt ins Nachbardorf Freggio (falls man mit dem PW anreist, würde man hier parkieren). Man folgt dem Wanderweg in Richtung Airolo bis zum Waldeingang, wo eine Tafel den Weg zum Kletterfels anzeigt. Der leichte und ausgetretene Zustieg führt an den Wandfuss der grossen Plattenflucht.

Hier starten 2 Routen: Die Via del Veterano zählt zu den längsten und einfachsten Sportkletterrouten im Tessin (23 Seillängen, 5c+, 4b obbligatorisch). Die erste Seillänge (4a) ist nach Regen lange nass, dies gilt nicht für den Rest der Route. Wenn man sich die Kletterei auf den Gneisplatten im Tessin nicht gewohnt ist, ist man hier bereits unerwartet gefordert. Die 5a Platte in der 5. Seillänge ist nicht trivial, aber bis hier hat man sich an den Fels und seine spezielle Kletterei herangetastet. Weil die Kletterei nicht kraftvoll ist, eignet sie sich insbesondere auch für Kinder im Nachstieg. Ich selbst bin diese Route bereits als Vierzehnjähriger geklettert und habe noch beste Erinnerungen daran. In der 8. Seillänge wartet ein kleiner Aufschwung, der frei zu klettern recht schwierig ist: frei 5c+ oder 4b mit Trittschlinge. In der 9. SL folgt die Schlüsselstelle in der Verschneidung (5c+, 5a wenn man sich am Express hält). Die wenigen 5er-Stellen können also auch technisch geklettert und von Vorsteigern gemacht, die den Grad nicht beherrschen (4b obblig.). Im Quergang der 10. Seillänge sich nicht durch die Haken der Pivello-Route verleiten lassen und dem „Balkon“ folgen, sondern sich nach oben orientieren. Es folgt eine sehr schöne 5a-Länge entlang der Abbruchkante. Die 14. SL ist ein kniffliger Quergang, der ungeübte Nachsteiger fordert, deshalb hängen hier fixe Struppen.  Ein gelb markierter Pfad führt nach Westen runter zum Einstieg. Um die ganze Route zu schaffen muss man zügig unterwegs sein und die meisten Kletterer steigen hier aus. Gleich nach dem Zwischenausstieg ist die Orientierung  nicht offensichtlich: Man wird verleitet den Haken der Pivello auf eine Art vorgelagerten Turm gerade hoch zu folgen, während die Via di Veterano in 2er und 3er-Gelände praktisch horizontal in westlicher Richtung um den markanten Felsturm herum führt.  Nach 23 Seillängen und 500 Höhenmeter ist man am Ziel.

Parallel zur Veterano verläuft die anspruchsvollere Via del Pivello (19 SL, 6b+, 6a obbl), das Projekt von Hanna und mir. Hier klettert man homogen im 5. Grad und hat wiederholt 6er-Stellen zu überwinden.

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Hanna wärmt sich in der 4. Seillänge von Pivello auf,

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um danach die erste Schlüsselstelle in der 6. Seillänge (6b+) vorzusteigen. Gleich danach folgt ein Überhang (6b+), der aber mithilfe einer Kette auch technisch erklettert werden kann (6a obbl.). Wichtig ist gleich nach dem Dach links weg zu klettern um nicht geradehoch in die andere Route zu kommen. Ab jetzt klettert man an der Kante eines massiven Abbruchs direkt neben der Via di Veterano, soll aber einen Abseilstand bei einer markanten Lärche an der Kante ansteuern. Hier seilt man ab und setzt die Route auf der unteren Platte fort (Im SAC Führer, aber nicht im Plaisir eingezeichnet). Auch für die Pivello gilt eine Kletterdauer von 6-8h. Wir hatten deshalb im ersten Anlauf hier in die Veterano gewechselt. An diesem 30. Oktober sind wir angereist um die Route zu komplettieren. So sind wir entlang des Abstiegpfades und später auf Wildwechseln die Platte unterhalb der Abseilstelle angepeilt. An deren Linken Rand sind wir zu 3 massiven Tannen hochgestiegen und haben ab da mit Schlingensicherung den Aufschwung (5c) der 10. SL von Pivello erreicht. In 3 Seillängen erreicht man die Wandmitte. Hier geht die Pivello rechts weg in 3 homogenen Seillängen auf eine vorgelagerte Platte. Sehr schön!

dsc03580Jetzt, wo die Füsse schon ein bisschen schmerzen, kommt das grosse Finale. Eine wirklich lange, anhalten knifflig fein und steile Platte (6a+). Unbedingt genug Express mitnehmen (15 Stück), da man ungern Bohrhaken auslässt. Die Krönung setzt die letzte Seillänge mit einem pumpigen Überhang (6b+). Ziemlich geschafft sind wir bei Sonnenuntergang aus der Platte in den Nadelwald ausgestiegen. Wobei, Nadelwald war 2015. Der Wald hier oben existiert nicht mehr. Ein Fönsturm hat ihn im vergangenen Jahr flach gelegt, wohl waren die Bäume durch die anhaltende Trockenheit geschwächt. Die Tannen standen hier auf nur wenig Erdreich und die Südseitigen Platten heizen von unten unerbittlich.

Ein gelb markierter Pfad führt zum Abstieg. Wir hatten keine Lust auf den steilen Abstieg und folgten der weissen Markierung nach Cioss. Ab dieser Alp mit einzigartigem Ausblick in Richtung Gotthard folgt ein gemütlicher Abstieg über die Fahrstrasse nach Lurengo, wo wir in einem eigentlich geschlossenem Agriturismo Getränke serviert bekamen um auf den Bus zu warten. Um 18.00 in Airolo angekommen, war gerade der Ofen in der Pizzeria angeheizt…

Umbieter: Hanna und Claudio

Text: Claudio